Spitzenköche im Popcorn-Kino

 

Lesenswerter Artikel der NZZ, Urs Bühler

Seit Bilder laufen können, wird auch auf belebten Leinwänden schnabuliert: selten bis zum Exzess wie in «La grande bouffe» – oft aber mit dürftigem Resultat. Schafft das jüngste Beispiel Abhilfe?

 

„Von den Freuden und Mühen, die Wahrnehmungen von Zunge und Nase in Worte zu fassen, ist in dieser Kolumne regelmässig die Rede. Wie aber werden lukullische Freuden ins Bild gerückt? Die Kulturgeschichte ist voller alchimistisch anmutender Transformationen dieser Art – von Jagdskizzen der Höhlenmaler über Stillleben alter Meister samt Trompe-l’Œil- und Memento-mori-Effekten bis zum «Déjeuner sur l’herbe».

Und seit Bilder laufen können, wird auch auf belebten Leinwänden schnabuliert, selten bis zum Exzess wie in «La grande bouffe», oft aber mit dürftigem Resultat. Der Trickfilm «Ratatouille» um eine kochbegeisterte Ratte zählt noch zum Besten, was hierzu in den letzten Jahrzehnten zustande kam. «Zimt und Koriander» stürzt uns immerhin in einen sentimentalen Sinnenrausch, «Eat Drink Man Woman» entführt uns tempofest nach Taipeh, die «Lunchbox» anrührend nach Indien, und «Babettes Fest» zeugt von allgemeiner Meisterschaft der Skandinavier in diesem Fach.

Aber sonst? Entweder sind erotische Bezüge ausgereizt bis zur Lächerlichkeit (spätestens seit Mickey Rourke in «9½ Weeks» Kim Basinger zum Vorspiel Kirschen in den Mund steckte und Honig von der Haut leckte). Oder das Erfolgsrezept ist so durchsichtig wie bei der Romanadaption «Der Koch», wo die Fertigung angeblich aphrodisierender Gerichte derart konstruiert wirkt, dass jede frühmittelalterliche Interpretation der Hochzeit zu Kana sinnlicher ist. Da hilft wenig, dass nun hierzulande in zwei Kinosälen technisch nachgeholfen wird: Trinkt einer auf der Leinwand Kaffee, blasen Düsen uns Röstnoten in die Nase. Das ist kaum mehr als verzweifelte Spielerei einer Branche, die uns das Wasser selten im Mund zusammenlaufen lässt.

Jetzt jedoch lässt Hollywood hoffen. Endlich, so hiess es, spiegle ein Kinofilm adäquat die Top-Gastronomie: Bradley Cooper spielt in «Burnt» einen Spitzenkoch, der nach Drogenabstürzen zurück zum Erfolg findet. Das ist etwa so originell wie der deutsche Titel («Im Rausch der Sterne») oder des Meisters Motto, dass die Gäste nicht essen sollen, weil sie Hunger haben. Bloss bleibt im Dunst der Küche verborgen, welche kulinarische Handschrift dem angeblichen Genie den anvisierten dritten Michelin-Stern bringen soll. In Erinnerung bleibt BURNT_OG_1200x630immerhin, wie ein Stück Butter in Grossaufnahme in der Pfanne schmilzt und, ganz ohne Duftdüsen-Tricks, leichter Caramelgeruch in die innere Nase steigt. So einfach wäre das eigentlich mit der Sinnlichkeit.

Sonst fällt vor allem die verblüffende äussere Ähnlichkeit der Hauptfigur mit dem Bündner Drei-Sterne-Koch Andreas Caminada auf. Warum eigentlich macht der keine Filmkarriere? Während aber Bradley Caminada seine Abscheu vor Sous-Vide-Beuteln ablegt, die er zuerst mit Kondomen vergleicht, und mittels dieser heroischen Überwindung von Vorurteilen den Olymp erklimmt, wird klar: Das Popcorn-Kino erhält die Starköche, die es verdient. Solange dieses keinen raffinierteren oder zumindest geräuschärmeren Snack bietet, ist die Vermählung cineastischer und kulinarischer Ansprüche ohnehin Utopie. Und meine Lieblingsessszenen bleiben bis auf weiteres die, als der Tramp im «Goldrausch» seinen Schuh und Spaghetti alla Papierschlangen verzehrt. Wenn mir das Kino schon keinen Appetit macht, soll es mich wenigstens zum Lachen bringen.“

Von kleinen Brötchen und dicken Fischen

 

Wer kennt es nicht, den erzsoliden Gast der das Schnitzel nur dann liebt wenn es über den Tellerrand schwappt, oder die Soße sich zu einem kleinen Ozean auf dem Teller darstellen muss. Natürlich gibt es so etwas nie im eigenen Restaurant – Das Fatale- die Qualitätsdenker und Stilisten unter den Köchen bedienen nur eine kleine Minderheit und lehnen die Bedürfnisse des Proletariats in einer Fach-Aristokratischen Art ab. Aber genau hier liegt unser Problem und schließlich den Krankenversicherungen, deshalb im Umkehrschluss der Allgemeinheit. Hier bietet sich der Schutz vor sich selbst regelrecht an, denn wir könnten die verlängerten Arme des Achatius sein. Aber wenn dass nur so einfach wäre. Derjenige der den Schlüssel dazu findet hätte einen Nobelpreis verdient. Wie oft schon habe ich mich bei den Bäckern meiner Umgebung ausgeheult, sie sollen doch bitte die „Süßen Stückle“ wie der Schwabe dazu sagt, in feineren Größen, mit mehr Geschmack und gehaltvoller anbieten. Hier sind die Franzosen absolute Weltklasse, dass heißt man braucht die Welt nicht neu erfinden- einfach nur adaptieren, dass kann doch nicht so schwer sein. Die Allgemeine Retoure der Bäckermeister ist die Erklärung dass die Kunden nur kaufen wenn der Plunder oder andere Leckereien optisch groß aussehen und man davon satt werden muss?? Von einem klassischen Croissant zum Nachmittag werden ich jedenfalls satt, da dieses ohnehin mit reichlich Butter hergestellt wird, dadurch sättigt und vor allem schmeckt.

Ehrlichgesagt, mir fehlt dass Verständnis wenn ich einen eher kräftigeren Typ Marke Durchschnitt, Bürodienst, nach Feierabend beim Bäcker oder im Lokal beobachte und der Anschein erweckt wird er käme direkt aus dem Bergwerk, er seit dem Frühstück keine Nahrung mehr zu sich genommen hat und ohnehin schier vom Fleisch fällt! Die Fast Food Industrie hat dieses Bedürfnis schon lange erkannt und die XXL und Supersize Portionen auf den Markt gebracht –  mit Erfolg. Sehenswert ist hierzu der Dokumentarfilm „Supersize Me“ von Epic Portions.

Wie man auch dort erkennen kann sind die XXL-Folgen verheerend. Der Wettbewerb um den Nobelpreis wird hiermit eröffnet!

Jürgen W Sperber

(von 2006!)