Kolumne W-News/IHK

„Sage mir, wie du ißt, und ich sage dir, was du bist.“
Jean Anthelme Brillat-Savarin (1755-1826), frz. Schriftsteller u. Gourmet

Die Tischsitten in China sind andere als hierzulande, eine Kuh in Indien ist heilig, ein Schwein im Orient unrein. Wenn die Visitenkarte Ihrer Firma, Ihr Mitarbeiter vor Ort diese und viele andere Details nicht kennt kann der Eindruck, welcher Ihre Firma dort hinterlässt schnell zum Fiasko werden. Große Konzerne schulen Ihre Führungsmitarbeiter in Knigge-Themen, viele kennen dies von der Kinderstube und manche sind völlig Beratungsresistent und fallen am Ballermann bei Schweineschnitzel und Bratwurst auf und beschmutzen das Image der Nation der Dichter und Denker nachhaltig.

Selbst Basics wie die richtige Verwendung des Bestecks können die ersten scheinbar unüberwindbaren Hürden sein, im Übrigen ist dies auch in den sogenannten oberen Gesellschaftsschichten sichtbar, was sich für mich dahingehend ausschließt das diese Grundkenntnisse unserer Hochkultur den gesellschaftlichen Status eher definieren. Die Kultur und der Stil eines Tischnachbarn sind neben psychoanalytischen Details schnell erkannt, ein gutes Tischgespräch unter Fremden zeigt von Integrations- und schauspielerischen Fähigkeiten.

Der französische Geschäftspartner beispielsweise sollte bei seinem Besuch auch nicht in Emigrationslastige Gaststätten eingeladen, sondern stolz den regionalen Köstlichkeiten nähergebracht werden (was nicht heißt das das in die Jahre gekommene Heilbronner Leibgericht, welches mit drei! Sättigungsbeilagen ein Kulinarisches Grundgesetz einsam zu durchbrechen versucht die richtige Wahl wäre) oder mit einem Besuch in einem der Spitzenküchen der Region die Qualität nach oben nicht nur in einem der Produkte beschreibt welche in Ihrem Portfolio ersichtlich sind. Hier sollte man nicht vergessen dass die französische Küche als immaterielles Weltkulturerbe zu Recht ausgezeichnet wurde und die Wahrscheinlichkeit nahe liegt dass Ihr Besuch in diesen Fragen sensibel und genussfreundlich ist.

Es gibt auch die Genussneutralen Menschen (auch schwäbisch „Fresserle“ genannt) denen sich die Gaben der Natur auf Spezi und trockenes Fleisch reduzieren. Wenn Ihre Geschäftspartner ebenso gestrickt sind dann haben sie Glück gehabt.

Jürgen Sperber, im Dezember 2010

Artikel für den Deutschen Fachverlag zum Thema Qualität

Qualitätsdenker, werden wir von der Industrie überholt?

Mit großer Aufmerksamkeit verfolge ich derzeit die klare Tendenz, dass die Themen wie regionale Lebensmittel, Ökotourismus und Verzehr, höchste Qualitätsstandards in Küche und Keller und viele Ableger mit zunehmenden Interesse von Branchen aufgegriffen werden, welche früher damit ganz und gar nichts anfangen konnten. Bisweilen war dies alleine ein Thema der hochwertigen Speiselokale mit engagierten Köchen, inbrünstiger Bioläden oder pfiffiger Selbstvermarkter. Sicherlich dachte niemand daran dass sich nun Fertigkosthersteller, Fastfoodketten oder gar Tankstellen damit beschäftigen. Bio und Öko wurde zum Trendbegriff, welcher scheinbar gute Renditen in die Kassen spült, in den Restaurants hat sich der wirtschaftliche Erfolg in Verknüpfung mit diesen Themen nur zaghaft eingestellt. Gute Lebensmittel kosten Geld, der Verkaufspreis wird aber leider verstärkt nicht an einer notwendigen Kalkulation orientiert sondern daran was der Markt bereit ist auszugeben. Wie schafft es nun die Industrie damit gutes Geld zu verdienen? Nur aus Imagegründen und Ethischen Fragen, wie damals Erivan Haub mit seiner Schildkrötenkampagne in seinen Märkten Grosso und Tengelmann, wird die in Margen die vier Stellen hinter dem Komma berechnet, und die Landwirte mit Mindestpreisen abgespeist werden, beschäftigt sich die Cash und Carry Industrie nicht damit. Dass diese nur Mindestpreise zahlen ist nicht den Lebensmittelriesen anzurechnen sondern dem sogenannten „preisbewussten“ Verbraucher, was soviel heißt wie billiger, billiger, billiger. Es fällt mir schwer daran zu glauben dass bei dieser Einkaufspolitik wirklich Bio erzeugt werden kann, auch wenn das Produkt etwas teurer eingekauft und verkauft wird. Die gutgemeinten Absichten sind zwar positiv, aber einen Hype herzustellen, ähnlich wie die Light-Produkte, welche teils die „regulären“ schon überflügelt haben, hat nichts mit der ursprünglichen Intention mehr zu tun.  90% des Deutschen Rindfleischkonsums stammt aus der Massentierhaltung und nur 5% der Landwirtschaft werden nicht konventionell betrieben. Qualität und damit verbundene sinnvolle Ökologie mit den positiven Randerscheinungen Tierschutz, Artenschutz und Naturverträglichkeit sind keine Trends sondern eine Grundeinstellung. Aber ein bisschen Bio aus dem Supermarkt, natürlich im Angebot, besänftigt das Gewissen, spätestens wenn man die Horrorbilder in den Nachrichten sieht.

Die qualitätsbewussten Verbraucher haben zwar in den letzten Jahren ordentlich zugenommen, stellen aber prozentual noch eine Minderheit dar. Auf diese müssen wir uns noch mehr als bisher konzentrieren, sonst wird uns dieser Markt auch noch streitig gemacht! Und mit Grundeinstellungen lässt  sich auch gutes Geld verdienen.

Jürgen W Sperber